Was ist Solar Grazing?
Solar Grazing ist die tiergestützte Pflege von Photovoltaik-Freiflächenanlagen – vor allem durch Schafe. Statt auf das regelmäßige Mähen zur Begrenzung des Pflanzenwachstums oder auf chemische Pflanzenschutzmittel zur Unkrautkontrolle zu setzen, übernehmen die Tiere die Vegetationspflege: Sie grasen rund um die Solarmodule, erreichen schwer zugängliche Stellen und fördern durch ihre Bewegung sogar die Bodenbelüftung auf natürlichem Wege. Forschungen der Cornell University zeigen, dass Solar Grazing die Kosten für das Vegetationsmanagement um bis zu 40 % senken kann – und gleichzeitig die Bodenqualität und Wasserspeicherung verbessert.
Neben den ökologischen Vorteilen entsteht auch ein wirtschaftlicher Nutzen: Die Methode ermöglicht landwirtschaftlichen Betrieben eine zusätzliche Einnahmequelle ihrer Schafhaltung. Besonders geeignet sind genügsame, pflegeleichte und hornlose Schafrassen wie Katahdin, Skudden oder Shropshire, die sich gut an die Bedingungen in Solarparks anpassen. Andere Weidetiere wie Ziegen, Geflügel oder Rinder sind zwar prinzipiell möglich, bringen aber Herausforderungen mit sich: Ziegen sind kletterfreudig, Geflügel benötigt zuverlässige Schutzmaßnahmen vor Raubtieren, und Rinder eignen sich eher für Agri-PV-Anlagen mit hoch aufgeständerten Modulen.
Abgrenzung: Solar Grazing vs. Agri-PV
In Deutschland wird der Begriff Agri-Photovoltaik (Agri-PV) vor allem mit der kombinierten Nutzung landwirtschaftlicher Flächen für Ackerbau oder Sonderkulturen unter Solarmodulen in Verbindung gebracht, beispielsweise durch hoch aufgeständerte Solarpaneele über Getreidefeldern, Obst- oder Weinbau.
Solar Grazing hingegen ist eine spezielle Form der Agri-PV, bei der extensiv genutzte Weideflächen unter bestehenden PV-Freiflächenanlagen beweidet werden. Der große Vorteil: Diese Form der Doppelnutzung ist ohne technische Anpassungen an den Solarmodulen oder der Unterkonstruktion möglich.
Auch aus planerischer Sicht ist Solar Grazing besonders niedrigschwellig: Es erfordert keine zusätzliche Bauhöhe und keine besonderen Abstände oder Durchfahrtsbreiten. Herkömmliche Anlagetechniken können schnell und unkompliziert eingebunden werden, sowohl bei Neuprojekten als auch im laufenden Betrieb von bestehenden PV-Freiflächenanlagen.
Solar Grazing, aber nachhaltig
Während klassische Solar-Beweidung in erster Linie auf Kosteneinsparung bei Mähprozessen abzielt, verfolgt Sustainable Solar Grazing weiterführende Prinzipien: So wird beispielsweise mit Rotationsweiden gearbeitet, bei denen Schafe abschnittsweise über die Fläche geführt werden. Das ermöglicht Regenerationsphasen für Gras und Boden, verhindert Trittschäden und reduziert die Erosion. Das Mikroklima profitiert durch den Schatten der Module und den Verzicht auf mechanische Pflege. Denn wo keine Maschinen zum Einsatz kommen, entstehen auch deutlich weniger Emissionen.
Auch der schonende Zugang zur Fläche spielt eine Rolle. Anstelle von dauerhaft installierten Zäunen oder schwerer Technik können Hütehunde zum Einsatz kommen, die die Tierhaltung flexibler und stressfreier gestalten und nebenbei eine Kostenersparnis darstellen.
Der Betrieb wird oft in Kooperation mit regionalen Schäfereien durchgeführt, wodurch lokale landwirtschaftliche Betriebe gestärkt und wirtschaftlich tragfähige Partnerschaften geschaffen werden. Sustainable Solar Grazing beschreibt damit mehr als reine Vegetationskontrolle. Es handelt sich um ein integratives Nutzungskonzept, das Photovoltaik mit den Prinzipien nachhaltiger Landbewirtschaftung verbindet und ein Gleichgewicht zwischen Stromerzeugung, Bodenschutz, Tierwohl und lokaler Landwirtschaft anstrebt.
Best Practice: Sustainable Solar Grazing in North Carolina
Ein gelungenes Praxisbeispiel kommt aus North Carolina (USA). Dort betreut Landwirt Alex Greer, Inhaber der „37 Roots Farm“, mittlerweile zwei Solarparks von hep solar: RCCC in Salisbury und Perendale in Mocksville.

„Sustainable Solar Grazing war nichts, wonach ich aktiv gesucht habe. Es begann mit einem einfachen Häkchen auf einem Fragebogen. Heute ist es ein zentraler Bestandteil der Zukunft meines Betriebs. Die Zusammenarbeit mit einem engagierten und verlässlichen Partner wie hep solar hat entscheidend dazu beigetragen, aus dieser Chance eine nachhaltige Perspektive zu entwickeln.“
Alex Greer, 37 Roots Farm
Im April wurde Alex Greer mit dem “AgVentures Grant” ausgezeichnet. Dabei handelt es sich um eine staatliche Förderauszeichnung des NC State Extension Programms in North Carolina, das innovative Landwirtschaft fördern soll und insbesondere Familienbetriebe mit finanziellen Mitteln unterstützt. Mit der Förderung konnte Greer ein mobiles System für die Tierpflege seiner Schafe anschaffen. Dieses verbessert nicht nur das Tierwohl, sondern macht die Weidehaltung im Solarpark noch effizienter. Die Kooperation bietet ihm ein wichtiges Zusatzeinkommen, während hep solar von dauerhaft gepflegten Flächen, gesunden Böden und einer nachhaltigen Flächennutzung profitiert – ein gutes Beispiel dafür, wie Landwirtschaft und Solarenergie erfolgreich zusammenspielen können.


Warum Deutschland reif ist für Sustainable Solar Grazing
Das Potenzial von Sustainable Solar Grazing in Deutschland ist vielversprechend – insbesondere durch die breite Verankerung der Schafhaltung in der Landwirtschaft und dem steigenden Flächenbedarf für Solaranlagen. Im Jahr 2024 lebten rund 1,5 Millionen Schafe in Deutschland, vor allem in Bayern, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein. Auch die Zahl der Schafbetriebe wächst: 2023 hielten etwa 20.200 Betriebe Schafe. Das sind rund 600 mehr als noch 2016. Ein großer Teil der Schafhaltung erfolgt dabei extensiv, oft auf Grünland, Deichen oder in Landschaftspflegeprojekten, was sie besonders kompatibel mit Solarparks macht.
Die flächendeckende Schafhaltung trifft auf einen wachsenden Bedarf an Flächen für Solaranlagen: Gesellschaft und Politik fordern zunehmend ökologische Lösungen für den Ausbau erneuerbarer Energien, insbesondere Solarenergie. Angesichts begrenzter Flächen und wachsender Umweltansprüche rückt die Vereinbarkeit von Energieerzeugung und ökologischer Landschaftspflege immer stärker in den Fokus. Gefragt sind Konzepte, die nicht nur klimafreundlich Strom erzeugen, sondern zugleich Biodiversität fördern, landwirtschaftliche Nutzung erhalten und regionale Wertschöpfung stärken.
Unsere Erfahrungen aus den USA zeigen: Mit dem richtigen Partner und etwas Offenheit für innovative Nutzungskonzepte kann ein erfolgreiches Geschäftsmodell entstehen. Für Deutschland bietet Sustainable Solar Grazing ebenfalls großes Potenzial und könnte eine zukunftsorientierte Brücke zwischen Energiewirtschaft und ländlichem Raum schaffen.
Quellen: Cornell University, NC AgVentures Grant Program for Family Farms, David R. Atkinson Center for a Sustainable Future, 37 Roots Farm, Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat